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Querbeet :: Sozialkahlschlag

Jobben ohne Job

junge Welt vom 30.05.2005
Hamburg: Weiterentwicklung der Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten durch sogenannte Qualifizierungskurse ohne Lehrpersonal. Hauptsache, die Kasse stimmt
Andreas Grünwald
Der Ein-Euro-Irrsinn kennt keine Grenzen. Während sich Meldungen häufen, daß Kriterien der Zusätzlichkeit kaum beachtet werden, somit reguläre Arbeitsplätze gefährdet sind, gibt es in Hamburg nun Ein-Euro-Jobs auch ohne Job.

Als Frank Bernhard*) Anfang April von der ARGE (Arbeitsgemeinschaft von Arbeits- und Sozialamt) seine Zuweisung für einen Ein-Euro-Job erhielt, war er skeptisch. Viel hatte Bernhard schon davon gehört. Meist nichts Gutes. Doch wer sich weigert, dem wird Arbeitslosengeld gekürzt. So ging Bernhard zur Einführungsveranstaltung der GRONE-Schule. Dort saßen bereits 100 Leidensgenossen, für die nach kurzer Begrüßung ein Test begann, bei dem Bernhard Rechen- und Deutschaufgaben lösen mußte. Zwei Stunden mußte er dann warten, bis GRONE-Fallmanagerin Ingrid Mertens*) nach zehnminütigen Gespräch entschied, daß Bernhard – mit 17 anderen – in den »Integrationskurs IV Rechnungswesen« kommt. Aktuell gäbe es zu wenig Arbeit, begründete Mertens, und Qualifizierung sei immer wichtig. In der Tat stockt das Ein-Euro-Programm in Hamburg. Die Beschäftigungsträger haben erhebliche Schwierigkeiten, geforderte 10000 Arbeitsplätze zu finden.

Wer fehlt, bekommt Abzüge

Sechs Wochen dauert der Integrationskurs IV nun schon. Arbeit haben nur zwei in der Gruppe. Bernhard, ein gelernte Buchhalter, lernte bei Lehrer Richard Müller*) statt dessen, was Buchhalternasen und Buchungssätze sind. Als Honorarkraft ist Müller nur Dienstag bis Donnerstag anwesend. Am Montag und Freitag gibt er Volkshochschulkurse. Seit 20. Mai sind die joblosen (lernenden) Jobber vollkommen ohne Lehrer. Müller ist gar nicht mehr erschienen. Trotzdem müssen die Jobber jeden Morgen um acht Uhr antreten. So lernt man, pünktlich zu sein. Um 8.10 Uhr wird dann abgehakt, und wer fehlt, erhält Abzüge oder riskiert eine Meldung an die ARGE. Noch mal abgehakt wird nachmittags um drei. Was mit der Zeit dazwischen machen? Wie den Frust verarbeiten, erkennbar nicht gebraucht zu werden? Erst sechs Wochen sind überstanden, und zehn Monate soll es dauern. Wie im Gefängnis sei dies, sagte eine Teilnehmerin.

 

300 Euro Fallkostenpauschale erhält GRONE pro Jobber und Monat. 900 Jobber sind es allein in Hamburg. Zusätzlich erhält GRONE maximal 210 Euro für die Mehraufwandsentschädigung jedes Jobbers, die GRONE mit einem Stundenlohn von 1,65 Euro voll ausschöpft. Das erhöht Bindewirkung und kostet nichts. Ursprünglich lag das Kerngeschäft bei Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Doch diese werden seit »Hartz IV« kaum noch gefördert. Das Ein-Euro-Geschäft schafft lukrative Entlastung.

Offener Mißbrauch

Knut Börnsen, Arbeitsagentursprecher, zeigte sich gegenüber jW überrascht: Ein-Euro-Jobs ohne Job? Das sei Mißbrauch. Uwe Börnsen, Sprecher der ARGE attestierte: Fortbildung dürfe es nur begleitend geben. Zudem müsse Fachaufsicht gewährleistet sein. Christian Saadhoff, Sprecher der Wirtschaftsbehörde, will nun seinen Prüfdienst losschicken.

Dieses Bekenntnis sei wenig glaubhaft, sagte ein Branchenkenner. Von den Praktiken bei GRONE wisse jeder. Tatsächlich interessiere man sich in der Behörde nur für Quantität statt Qualität, denn so könne die Arbeitslosenstatistik besser frisiert werden. GRONE-Pressesprecherin Meta Mertens konnte die Vorgänge im Integrationskurs IV nicht dementieren.

Der Fall entspricht den Tatsachen, wie GRONE-Projektleiter Thies Henken einen Tag später gegenüber jW bestätigen mußte. Henken bestätigte auch die Abwesenheit des Lehrers. Das aber sei mit den Teilnehmern fest vereinbart gewesen, damit diese eigenständig lernen.

*) Namen geändert
 

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Adresse: http://www.jungewelt.de/2005/05-30/017.php

Posted: Mo - Mai 30, 2005 at 12:38 nachm.  
   
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