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Querbeet :: Sozialkahlschlag

Diakonie im sozialen Spagat

junge Welt vom 15.10.2004 (Volker Macke)
Bundeskonferenz des kirchlichen Fürsorgekonzerns erklärt »Hartz IV« für alternativlos
Mit einer Spagat-Übung ging gestern die jährliche Bundeskonferenz des Diakonischen Werkes in Hannover zu Ende: Mit einem Bein mitten in den »Hartz-Gesetzen«, mit dem anderen in der Kritik derselben. »Gerechtigkeit erhöht ein Volk«, lautet das abschließende Wort der dreitägigen Konferenz. Ein frommer Wunsch. Die bittere Wirklichkeit: Reformen à la »Hartz« müßten sein, sagt die Diakonie. Ob die »Hartz-Gesetze« gerecht sind? »Erkennbar ist schon jetzt, daß die gegenwärtigen Reformen das Armutsrisiko in Deutschland verstärken«, heißt es in der Abschlußerklärung. Und: Die Umsetzung von »Hartz IV« werde »den sozialen Ort von Menschen ändern, die jetzt noch zur Mittelschicht zählen«. Gleichzeitig betonte Jürgen Göhde, Präsident des Diakonischen Werkes: »Solange die Ein-Euro-Jobs nicht zum Zwangsinstrument werden, könnte mit ihnen durchaus Sinnvolles bewirkt werden«. Freiwilligkeit und Akzeptanz lauteten die Stichworte.
Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/10-15/018.php

 

Mit rund 450000 Angestellten im Alten- und Behindertenpflegebereich und mit rund einer Million betreuter Menschen ist die Diakonie ein Gigant auf dem Fürsorge- und Pflegemarkt. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) setzt deshalb bei der geplanten flächendeckenden Einführung der Ein-Euro-Jobs besonders auf die evangelische Diakonie und die katholische Caritas. Für die anvisierten 600000 Jobs im gemeinnützigen und öffentlichen Bereich sind die Dienstleister unabdingbar.

Erreichbar erscheint diese Größenordnung indes weder der Diakonie noch der Caritas. Entschieden wird nämlich ohnehin jeweils vor Ort im Zusammenspiel von Trägern sozialer Dienste und den Agenturen für Arbeit. Der Spielraum ist groß. 120 Stellen plant die Agentur beispielsweise in Düsseldorf, nicht eben viel. 8000 sind in Berlin im Gespräch. »Viel zu hoch gegriffen, da weiß doch keiner, wo die Stellen alle entstehen sollen«, kritisierten Praktiker am Rande des Kongresses.

Ob die Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes II »mitziehen« werden, sei zudem ungewiß. Das Akzeptanzproblem sei groß, heißt es seitens der Diakonie. Und mit den Zwangsinstrumenten der Zahlungskürzungen bei Arbeitsverweigerung, will Diakoniepräsident Göhde lieber nichts zu tun haben: »Das muß von allen Seiten freiwillig passieren, schon im Interesse unserer Patienten.« Über »Schnupperangebote« könne das getestet werden. Erst danach würden die Träger entscheiden, »ob es paßt«. Wer also nicht wolle, werde ohnehin abgelehnt – zumindest von seiten der Diakonie ohne negative Folgen. Doch für letztere sind ohnehin die Arbeitsagenturen zuständig. Die kirchlichen Einrichtungen werden also ihre Hände in Unschuld waschen können.
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Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/10-15/018.php

Posted: Fr - Oktober 15, 2004 at 05:56 vorm.  
   
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