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Querbeet :: Opel

»Für die Belegschaft ein Akt der Würde«

Interview
Arbeitsniederlegung bei Opel in Bochum: Warum die Belegschaft der eigenen Führung mißtraut und nicht auf Aktionen von oben wartet. Ein Gespräch mit Wolfgang Schaumberg
* Wolfgang Schaumberg war 30 Jahre bei Opel in Bochum tätig, davon 25 Jahre als Betriebsrat. Er ist weiterhin aktiv in der IG Metall und in der Betriebsgruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« (GoG), sowie in der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken

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junge Welt vom 16.10.2004

 

Interview

»Für die Belegschaft ein Akt der Würde«

Arbeitsniederlegung bei Opel in Bochum: Warum die Belegschaft der eigenen Führung mißtraut und nicht auf Aktionen von oben wartet. Ein Gespräch mit Wolfgang Schaumberg

Interview: Daniel Behruzi

 

* Wolfgang Schaumberg war 30 Jahre bei Opel in Bochum tätig, davon 25 Jahre als Betriebsrat. Er ist weiterhin aktiv in der IG Metall und in der Betriebsgruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« (GoG), sowie in der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken

F: Als Reaktion auf das vom General-Motors-Konzern verkündete Kürzungsprogramm haben die Beschäftigten von Opel in Bochum am Donnerstag spontan die Arbeit niedergelegt. Wie ist es dazu gekommen?

Das war für die Belegschaft ein Akt der Würde. Man war von der Heftigkeit dieses Angriffs, vom Ausmaß des Arbeitsplatzabbaus und der Konzernforderungen, überrascht. Die Bochumer Belegschaft hat bereits viele negative Erfahrungen mit dem Warten und Hoffen auf Aktionen von oben gemacht. Schon des öfteren haben Teile der Belegschaft deshalb spontane Aktionen auf die Beine gestellt, ohne darauf zu warten, was Gewerkschafts- und Betriebsratsspitzen offiziell verkünden.

Gleichzeitig wissen die Kollegen, daß in Bochum immer noch das größte Produktionswerk von General Motors (GM) in Europa steht und die Produktion des »Astra« und »Safira« auf vollen Touren läuft. Viele andere Werke in Europa hängen von Bochum ab, wodurch ein gewisser ökonomischer Druck erzeugt werden kann. Die Kombination dieser Faktoren hat den Streik ermöglicht, wobei gleichzeitig auch Angst da ist.

F: Die offiziellen Beschäftigtenvertreter wollen den Streik ganz offensichtlich nicht. Welche Perspektive sehen Sie vor diesem Hintergrund für die Auseinandersetzung?

Das ist sehr schwer zu sagen. Ein Vorstandsmitglied von GM in den USA hat angekündigt, das, was auf Belegschaften zukommt, werde »häßlich«. Viele Kollegen sagen: Dann muß es eben auch für den Konzern »häßlich« werden. Das ist die erste Reaktion.

Die Kollegen hoffen natürlich, daß auch von den anderen Belegschaften bald Zeichen kommen, daß auch sie den Abbau so nicht hinnehmen wollen. Das große Dilemma aber ist, daß die Gewerkschaft derartige Kämpfe nicht will. Bei DaimlerChrysler, VW und hier bei Opel – überall sind 80, 90 Prozent in der IG Metall organisiert – aber wir werden nicht in einen gemeinsamen Kampf geführt. Für die Belegschaften und Aktivisten ist das eine schwierige Situation – zu registrieren, daß unsere Gewerkschaftsspitze bei dieser Aktion gar nicht auf unserer Seite steht und als erstes Ziel definiert hat, Deutschland müsse Exportweltmeister bleiben. So rettet man die Profite, aber nicht die Leute! Allerdings haben auch viele Kolleginnen und Kollegen die von der Führung vertretene Standortlogik verinnerlicht. Viele glauben tatsächlich, daß lediglich bessere Manager nötig sind. Es ist aber unsinnig zu glauben, daß nur falsches Management für die Krise bei Opel, VW, Karstadt usw. verantwortlich ist.

F: Worin sehen Sie denn die Ursachen?

Um es kurz zu sagen: Die tiefere Ursache liegt in dem bestehenden Wirtschaftssystem begründet, das auf Profit und Konkurrenz basiert. Man arbeitet nicht, um Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um die Profitzwänge der einzelnen Unternehmer zu erfüllen. Leider hat die Linke derzeit nur wenig hoffnungsträchtige Alternativen zu diesem System anzubieten.

F: Während in Bochum gestreikt wird, scheint sich in Rüsselsheim und anderen Werken noch nicht viel zu regen.

In Rüsselsheim sind von den fast 20000 Beschäftigten nur etwa 7000 Produktionsarbeiter. Leider gibt es dort nur wenige Kampferfahrungen und mir scheint, daß der Betriebsrat die Sache ideologisch und organisatorisch im Griff hat. Anders als in Bochum hat es diese jahrzehntelange Tradition von Debatten über den Kurs des Betriebsrats und der Gewerkschaft in Rüsselsheim nicht gegeben. Wie es in anderen europäischen Werken aussieht, wissen wir leider nicht genau.

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Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/10-16/019.php

Posted: Sa - Oktober 16, 2004 at 05:44 nachm.  
   
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